Tag der Begegnungen am 21.Oktober 2000 in Geislingen

Seit 1981 treffen sich die Südmährer alljährlich unter diesem Motto, nachdem die 1973 unter
dem Titel „Südmähren lebt!“ begründete Einrichtung umbenannt worden war. Der
Gemeindesaal der Pfarrei St.Maria faßte knapp die vielen Interessierten, an die 160 müssen es
gewesen sein, die Landschaftsbetreuer Franz Longin begrüßen konnte. Franz Longin konnte
wieder Vertreter des Geislinger Stadtrats und andere Gäste aus der Patenstadt sowie den
Hausherrn, Pfarrer Edgar Briemle, begrüßen.

 

Für den Vormittag waren Referenten aus den eigenen Reihen angesetzt. Der Berichterstatter
(Gerald Frodl) sprach zunächst über die Vertreibung der Südmährer. Einleitend gab er wieder,
was Prof. Peter Koslowski am 11. September in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter dem
Titel „Unerlaubte Gegenaggression“ zur Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa in
einem großen Artikel veröffentlicht hatte. In diesem vermerkt der Gelehrte (Philosoph) zunächst
erstaunt, dass man in Deutschtand und in Österreich mit Achselzucken über die Tatsache der
Vertreibung von mehr als zehn Millionen Menschen hinweggehe. Generell wird dies damit
begründet, dass die Vertreibung als Strafe für die Gewalttaten Nazi-Deutschlands hinzunehmen
sei. Dagegen stellt er fest, dass das Begehen einer zweiten Untat als Antwort auf die erste nicht
gerechtfertigt sei. Wenn man demgegenüber behaupte, die Verbrechen der Deutschen seien so
ungeheuerlich gewesen, dass die Vertreibung als gerecht anzusehen sei, stelle man sich auf
dieselbe Stufe, Rache mit gleichen Mitteln bedeute keine Wiederherstellung des
Rechtszustandes. In der Tschechei sei man der Ansicht, dass mit der Besetzung der CSR im
Jahre 1939 die deutschen Bürger kollektiv ihr Eigentumsrecht verwirkt hätten. In der deutsch-
tschechischen Erklärung von 1997 wird dies bestätigt, in einer Zusatzerklärung wurde der
ursächliche Zusammenhang festgehalten. Ein Widerspruch von deutscher Seite unterblieb.
Damit habe man fundamentale Normen des Naturrechts außer Kraft gesetzt.

 

Nach tschechischer Rechtsauffassung werde dank einer nationalistischen Deutung des Rechts
dieses als Kollektivrecht des Staates angewendet, und zwar nur nach dem Kriterium der
Abstammung: auf alle Deutsche, auch Unschuldige. Selbst wenn alle Deutschen den zweiten
Weltkrieg gewollt hätten, könne von einem angemessenen Verhältnis zwischen Tat und Strafe
nicht die Rede sein. Indem die Tschechen bei der Enteignung eine Kollektiveigentümerschaft
nach Abstammung zugrundelegten, stellten sie sich in die Nähe zum NS-System, das nach
solchen Prinzipien rassischer Kollektivschuld vorging.

 

In einer auf das Naturrecht gegründeten Rechtsgemeinschaft darf nach Prof. Koslowski eine
dauerhafte Mißachtung des Persönlichkeits- und Eigentumsrechtes nicht geduldet werden, sie
muß rückgängig gemacht werden. Eine Union stehe auf schwachen Füßen, wenn ein
wesentliches Freiheitsrecht, das auf Eigentum, nicht anerkannt werde. Es sei daher zumindest
eine Geste des Eingeständnisses von getanem Unrecht zu erwarten. Insgesamt sei die Haltung
der Tonangebenden geprägt von Maximalismus der Urteile und Forderungen, wenn moralische
Maßstäbe gegen Deutschsand und Österreich anzuwenden seien, von Minimalismus hingegen,
wenn es um die östlichen Nachbarn gehe. Ein solcher Zustand sei aber für die Einheit und
Rechtsgleichheit in Europa nicht tragbar. Ein Schlußstrich sei daher unter Forderungen wegen
Zwangsarbeit zu ziehen, da es sich dabei jetzt um weitergehende Reparationen handle, die aus
Steuergeldern bestritten werden. Der Rechtsstandpunkt müsse auch für Deutschland gelten,
dem man nicht unbegrenzte moralische Schuld mit entsprechenden Folgerungen zuweisen
könne, während man eigene Rechtsbrüche als moralische und rechtliche Kleinigkeiten
behandle. Referent gab einen knappen Überblick zum Vertreibungsgeschehen, das im Kreis
Neubistritz bereits Ende Mai 1945 abgeschlossen war, nachdem alle Deutschen an zwei Tagen
vertrieben worden waren. Im Zlabinger Ländchen wurden sie zwischen 6. und 8. Juni
vertrieben, in den Kreisen Znaim und Nikolsburg wurden zwar zahlreiche Orte ebenfalls
ethnisch gesäubert, aber in der Mehrheit blieben die Deutschen, weil man sie als
Landarbeiter brauchte. Immerhin war bereits zum Zeitpunkt der Potsdamer Konferenz, also am
2. August 1945, die Hälfte der Deutschen nach Österreich gejagt worden, rund 52.000
Menschen. Haupttäter waren bei diesen Aktionen die sogenannten „Partisanen“, die von
der tschechischen Regierung beauftragt waren, den Terror in die deutschen Gemeinden zu
tragen. Auf deutsche Soldaten wurde regelrecht Treibjagd veranstaltet. Aufgefundene wurden
durch Genickschuß getötet. Am 3. Juli 1945 meldete der Rat des südmährischen
Landesnationalausschusses bereits, dass Südmähren zu einem großen Teil von den Deutschen
gesäubert sei. Rund 600 Menschen kostete dieser Vorgang das Leben. Neben den „geordneten“
gab es weiterhin „wilde“ Vertreibungen. Im Oktober 1946 war das Land entdeutscht.
In Österreich sah man in den Vertriebenen je nach Interesse brauchbare Helfer bei der
Landarbeit oder „Henlein-Leute“, die man schnell wieder loswerden wollte und von denen man
sich die gutnachbarlichen Beziehungen zum tschechischen Staat nicht stören lassen wollte. Von
66.000 Südmährern konnten rund 40.000 im Lande bleiben. Sie wurden allmählich
eingebürgert, die anderen wurden nach Deutschland abgeschoben, das insgesamt rund 90.000
Südmährer aufzunehmen hatte. Überblickt man die Entwicklung und berücksichtigt man die
Äußerungen maßgebender Tschechen, kann mindestens seit 1918 von einem Vorgang der
Entdeutschung gesprochen werden, der 1945 zum Abschluss gebracht wurde, sich aber in der
Bundesrepublik in abgewandelter Form fortsetzt, so etwa auf dem Gebiet der Sprache, durch
die Entwertung des Kulturerbes (Verbot des Sprechens von einer „Leitkultur“) und vor allem im
Verzicht auf die Sicherung eines Fortbestands der Deutschen.

 

Eine Psychotherapeutin, Astrid von Friesen, hat in einem Buch mit dem Titel „Der lange
Abschied“ das Problem psychischer Spätfolgen für die zweite Generation deutscher
Vertriebener untersucht. Auch ihr ist aufgefallen, daß Massenverbrechen, die nicht von sondern
an Deutschen verübt wurden, mit einem Tabu belegt sind, dass Film, Literatur und Politik einen
Bogen um diese Vorgänge machen, sich für die Städtebombardements oder Angriffe
der Tiefflieger auf Zivilisten nicht interessieren. Spreche man davon, werden einem per
Aufrechnung sofort deutsche Verbrechen entgegengehalten. Die Forscherin hat auch im
eigenen Lande keine brauchbaren Vorarbeiten gefunden und war bei ihrer Arbeit auf jüdische
Fachliteratur angewiesen, von deutschen Kollegen wurde ihr Vorhaben missbilligt. Damit
schließt sich der Kreis zu dem von Prof. Koslowski Gesagten. Die Entdeutschung wird, von Tag
zu Tag beschleunigt, weitergetrieben.

 

Hauptreferent des Vormittages war Dr. Rudolf Hilf, der sich mit der Frage beschäftigte, ob es
sich bei der Vertreibung der Sudetendeutschen um Völkermord im Sinne der UN-Definition
gehandelt habe, ob dies überhaupt ein Problem der Vergangenheit oder eines von Bedeutung
für Gegenwart und Zukunft sei. Zur Frage des Völkermords bezog sich Dr. Hilf auf Prof.
Ermacora, der nachgewiesen habe, dass der Begriff zutreffe, da er laut UN nicht nur von der
Zahl der Opfer abhänge, sondern von der mit dem Vertreibungsvorgang verknüpften Absicht.
Danach handle es sich bei der Vertreibung der Sudetendeutschen geradezu um einen
klassischen Fall, der in allen Etappen belegt sei. Die sogenannten „wilden“ Vertreibungen seien
offiziell angeordnet worden, damit man auf spontane revolutionäre Unruhen hinweisen könne,
deren Ergebnisse als vollzogene Tatsachen benutzt wurden, um Druck auf die Alliierten in
Potsdam auszuüben. Die Absicht der Vertreibung sei bei der Exilregierung bereits während des
Krieges nachzueisen. Benesch habe sich in Moskau 1943 ganz offiziell die Genehmigung
geholt.

 

Von den Tschechen müsse man heute verlangen, dass sie ihre Geschichte ebenso aufarbeiten,
wie es die Deutschen getan haben. Die Vertreibung könne nicht als Kriegsfolge hingestellt
werden, es handle sich um das Schlussglied einer langen Kette, die vor hundert Jahren ihnen
Anfang genommen hat. Das bis zum konsequenten Ergebnis verfolgte Ziel einer ethnischen
Säuberung könne heute nicht mehr Anspruch auf Geltung erheben, weil zwischen Kulturvielfalt
einerseits und nationalistischem System andererseits sich eine tiefe Kluft auftun müsse, die
globale Ausmaße annehmen werde. Da nur neun Prozent aller Staaten in der Welt eine
ethnisch homogene Bevölkerung aufweisen, schaffe das nationalistische Prinzip ein
Konfliktpotential, dem Terror und Vergeltung in unerhörtem Ausmaß entspringen würden.
Genozid verjährt nicht, daher bleibe die Regelung offen. Eine juristische Lösung sei
unrealisierbar, da sie nicht zu Frieden und Versöhnung beitrage. Die Aufrechterhaltung der
rassistischen Genozid-Dekrete könne nicht geduldet werden, die Tatsache des Völkermords sei
vom Verursacher anzuerkennen. Die deutsch-tschechische Erklärung sei in ihrer Unehrlichkeit
geeignet, Mißtrauen zu erwecken. Es gelte, heilende Kompromisse zu finden und zu schließen,
aber „kein Staat, der sich heute nach wie vor zu Vertreibungen und der Totalenteignung ganzer
Menschengruppen als ‚legitim‘ bekennt und diese als ‚festen Bestandteil seiner Rechtsordnung‘
bezeichnet, hat Recht auf einen Platz im werdenden Europa einer neuen Wertegemeinschaft“.
Da die tschechische Regierung ein Gespräch mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft
ablehne, was eine Verständigung verhindere, müsse eine europäische Regelung angestrebt
werden. Als praktische Zukunftsaufgabe schlug Dr. Hilf die Schaffung von Entwicklungsfonds für einzelne Regionen vor.

 

Am Nachmittag begrßte Reinfried Vogler, stellvertretender Landschaftsbetreuer, Dr. Stanislav
Burachovic aus Karlsbad, der die Haltung des tschechischen Staates zum sudetendeutschen
Problem als einem Teil des politischen, geschichtlichen und kulturellen Erbes Mitteleuropas
darstellte. Utopisten glauben, so der Referent, noch immer an einen Ausgleich.
Ungeduldige sind für einen Schlussstrich, da eine Aussöhnung nie kommen werde. Vorsichtige
Optimisten sind hingegen für eine Fortsetzung der Bemühungen um einen Ausgleich, der nur
langsam und in kleinen Schritten zu erreichen sei. Im Jahre 1990 habe man sich zu schnell zu
große Fortschritte erwartet. Für die Zukunft setzt Dr. Burachovic auf unermüdlich fortgeführte
Gespräche, ständige Kommunikation.

 

In der Zeit des Kalten Krieges blieb die aus dem Zweiten Weltkrieg und der Okkupation
rührende „schroffe allgemeine Abneigung der Tschechen gegenüber den Deutschen“ erhalten.
Das Thema der Vertreibung war ideologisches Tabu. Jede Darstellung mußte einseitig und
tendenziös sein. So wurde der „Exodus“ der Sudetendeutschen zum „hartnäckigen Trauma“ der
deutsch-tschechischen Beziehungen. Zwar ist die Vertreibung ein abgeschlossenes Kapitel
der Geschichte, aber auch ein „nicht restlos bewältigtes moralisches und psychologisches“.
Der Redner nannte eine Reihe von kulturellen und wirtschaftlichen
Projekten grenzüberschreitender Art, die er als Brückenbau zwischen den Nachbarn
ansieht. Wichtige Schlüsselbegriffe im Prozeß der Annäherung sind seiner Meinung nach
Heimat, Recht, Unrecht, Kommunikation, Ansprüche, Wiedergutmachung, Identität und
Integration. Bis diese einvernehmlich geklärt sind, werde wohl noch viel Zeit vergehen. Es
werde erst gelingen, wenn beide Seiten ihre historischen Fehler und Sünden offen und
reumütig zugeben. Das erfordere sehr viel Aufklürung, gegenseitiges Kennenlernen und
Einfühlungsvermögen.

 

Die Tschechen würden sich in der Mehrzahl gerne in die größere friedlich kooperierende
Staatengemeinschaft Europas integrieren, fürchten aber massive wirtschaftliche Bevormundung
durch Deutschland, daneben Amerikanisierung und Globalisierung. Mit daraus erwachsender
Europaskepsis verbinde sich ein Anwachsen des Nationalismus.

 

Der Redner selber widmet sich seit dreißig Jahren der heimatkundlichen Erforschung des
westböhmischen Bäderdreiecks, sammelt Sagen, Bräuche und Schrifttum und dokumentiert die
Kunstdenkmäler, die der Vernichtung getrotzt haben. Dabei habe er unter den
Heimatvertriebenen viele kennengelernt, die aufrichtig einen gemeinsamen Weg suchen.
Gegenwärtig befinde man sich in einer Phase der Stagnation, beide Seiten seien wieder
vorsichtiger, auch mißtrauischer geworden, die Sudetendeutschen h´ätten sich nach Havels
Geste zu große Hoffnungen gemacht. Auf tschechischer Seite spiele der provinzielle
Nationalismus eine äußerst negative Rolle. Daneben bestehe bei den Älteren mit ihren
teils schlimmen Protektorats- und Kriegserfahrungen weiterhin Angst vor den Deutschen. Zwar
sei der Nationalismus nicht extrem im tschechischen Staat, aber die Tatsache, dass im April
1998 immerhin 83,2 % der Tschechen die Vertreibung der Deutschen für richtig hielten,
stimme wenig optimistisch.

 

Positiv wertete der Referent den Hinweis des tschechischen Botschafters in Bonn, das
tschechische Verfassungsgericht und fast alle Politiker hütten bestritten, dass die Benesch-
Dekrete von eigner Kollektivschuld ausgingen. Ebenso gebe Grund zum Optimismus, dass ein
Teil der gebildeten Jugend die bisherige nationalistische Darstellung der Vertreibung nicht
billige.

 

Insgesamt äußerte sich Dr. Burachovic skeptisch bezüglich einer fairen Aussöhnung auf allen
Ebenen. Er verwies auf den tschechischen Historiker Palacky, der die Geschichte des Landes
von Zusammenarbeit und Zwistigkeit im Wechsel geprägt sah. Gern würden die Tschechen in
Zukunft mit den „Reichsdeutschen“ und vielen Sudetendeutschen zusammenarbeiten, „mit
einigen werden sie ewigen Streit haben“. Einen Schlußstrich, der alle Probleme löst, gebe es
nicht. Bislang bestimme auf beiden Seiten eine Minderheit den Ton, die an der Vergiftung der
Atmosphäre von Toleranz und Entgegenkommen arbeitet. So könne man erst nach dem
Aussterben der „Erlebnisgeneration“ mit wirklichen Fortschritten rechnen. Nur auf der Basis von Ehrlichkeit und gegenseitigem Respekt sei ein Ausgleich möglich.

 

Zur gleichen Problematik äußerte sich Jan Sicha vom Tschechischen Zentrum in München. Die
gegenwärtige Lage vor der Aufnahme der Tschechei in die EU beschreibend, stellte er fest, dass
die tschechische Wirtschaft vor allem mit Westeuropa verknüpft sei. Die von der EU
geforderten Kriterien würden erfüllt, der Standard westeuropäischer Demokratien werde
eingehalten. Mit einer Aufnahme in die EU sei in drei bis vier Jahren zu rechnen. Das
sudetendeutsche Problem habe in den letzten zehn Jahren eine Entwicklung durchgemacht,
nach der es heute nicht mehr so wichtig sei, so dass man nichts Wesentliches mehr zu erwarten
habe. Der Heimatbegriff habe sich gewandelt, man suche die Zusammenarbeit. Bei der
Sudetendeutschen Landsmannschaft wollte der Redner mit dem Wechsel zu Bernd Posselt eine
Modernisierung erkennen. Die politischen Reformen habe der tschechische Staat, anders als
Deutschland, nicht mit Hilfe der Amerikaner durchgesetzt, sondern aus eigener Kraft. Für seine
Sicherheit sei der NATO-Beitritt wichtiger als der zur EU. Allgemein sehe man die erste
Republik als Vorbild. Nach einer wirtschaftlichen Krise sei Wachstum gefolgt, bei den
Beziehungen zu Deutschland werde man die neugebauten Brücken benützen, alte renovieren.
Als dritter Redner des Nachmittags nahm Dr. Josef Haas, Journalist aus Bamberg, das Wort und
äußerte seine Meinung zum tschechischen EU-Beitritt. Ausgehend von der Tatsache, dass
Rechtspositionen zeitlos gültig seien, stellte er fest, dass die Annullierung der Benesch-Dekrete
und ein gültiges Minderheitenrecht Voraussetzungen seien. Ein Entgegenkommen sei allerdings
von den Tschechen nicht zu erwarten, wenn die Rechtsposition der Vertriebenen
von deutschen Regierungsexponenten nicht vertreten werde. Den kräftigen Worten der
Festredner am Sudetendeutschen Tag folgten keine entsprechenden Taten. Er forderte daher
eine Volksbewegung für das Recht, die sich in Demonstrationen darstellen sollte. Beim Besuch
Havels in Bayern etwa hätten die Sudetendeutschen in großer Zahl demonstrieren sollen.
Wichtig bleibe auch, dass die Vertriebenen ihren Nachkommen den Einsatz für die eigene
Sache als verpflichtend weitergeben.

 

An der abschließenden Podiumsdiskussion nahmen neben den drei Rednern des Nachmittags
auch Franz Longin und – als „Moderator“ – Reinfried Vogler teil. Franz Longin wies darauf hin,
dass die Sudetendeutschen nicht Dollars verlangten, sondern ein Bekenntnis zu Gemeinsamkeit
und zu moralischen Prinzipien. Der in der Charta der Vertriebenen ausgesprochene Wille zu
friedfertigem Aufbau sei nicht honoriert worden, sonst wäre die Lage für die Sudetendeutschen
heute nicht so aussichtslos. Die mit dem gesamteuropäischen Mäntelchen umhüllte deutsche
Politik ermuntert die Uneinsichtigen zur weiteren Pflege ihrer Rolle. Es bleibe demgegenüber
eine Selbstverständlichkeit, dass die Benesch-Dekrete, die Vertreibung anordnen, Enteignung
bestätigen und Verbrechen an Deutschen für straffrei erklären, eliminiert werden.
Unverständlich sei weiterhin, dass sie in der CR verteidigt werden.

 

Jan Sicha erwiderte darauf, dass in der CR die Enteignungen als Reparationen betrachtet
würden. Immerhin sei Havel der Einzige, der Vertreibung allgemein verurteilt habe. Auch habe
man im Lande Probleme mit alten Bolschewiken. Mit „Brüderschaft“ habe man schlechte
Erfahrungen gemacht, daher bestehe ein gewisses Mißtrauen gegen die in Brüssel
versprochenen „Brüder“. Eine reformierte Landsmannschaft sei als Partner erwünscht.
Die deutsche Minderheit in der CR habe Raum zur Entwicklung und werde nicht rechtlich
benachteiligt. Die Roma stellten mit hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalitätsrate ein
soziologisches Problem dar, kein nationales.

 

In seinem Schlußwort wies Reinfried Vogler darauf hin, dass für jede Diskussion eine fundierte
Basis vonnöten sei. Die Bereitschaft zum Gespräch sei in der CR gering, nehme aber bei jungen
Leuten zu. Jedenfalls müsse man im Gespräch bleiben und sich weiterhin um Verständnis der
Geschichte bemühen, deren Kenntnis Voraussetzung für die Gestaltung der Zukunft bleibe. Mit
dem Dank an die Referenten, insbesondere für ihre Bereitschaft zum Dialog, sowie an
den Hausherrn schloß der Stellvertreter des Landschaftsbetreuers die Veranstaltung.